vorschularbeit

Vorschularbeit
 
Was wärst du Wind, wenn du nicht Bäume hättest zu durchbrausen;
was wärst du Geist, wenn du nicht Leiber hättest drin zu hausen!
All Leben will Widerstand.
All Licht will Trübe.
All Wehen will Stamm und Wand, dass es sich daran erübe.
 
Christian Morgenstern

Wenn unsere Vorschulkinder in ihr letztes Kindergartenjahr eintreten – ihrem „Königsjahr“ – dann ist diese Zeit, dieses „letzte Jahr“, für alle eine ganz besondere!

Die Kleinen schauen zu ihnen auf, bestaunen sie  und bewundern, was die Großen bald alles schon können. Und die Großen selber werden sich langsam dieser Rolle bewusst und entwickeln vielerlei soziale Kompetenzen dabei. Sie werden irgendwie wirklich „königlich“!
 
Könige und Königinnen brauchen aber auch Herausforderungen…brauchen Grenzen… brauchen Freude…brauchen Aufgaben….
Sie wollen sich erproben, beweisen, stark werden! Dazu sollen sie auf verschiedenen Ebenen in diesem letzten Kindergartenjahr Möglichkeiten bekommen.
So, wie das das oben genannte Sprüchlein von Morgenstern beschreibt, so trifft es dieses Alter ganz gut!
 
Das Leben durchbraust die Kinder, es formt, drückt, schiebt…
Das Kind will sich reiben, fordert heraus, sucht den Widerstand und die Grenze…
An all diesen emotionalen Erfahrungen, Erlebnissen wächst es. Jeden Tag ein winziges Stück…
Doch wie geht denn „Vorschularbeit“ bei uns im Waldorfkindergarten?
Bei allem Vorschuleifer soll immer auch noch genug Zeit zum Spielen sein. Denn gerade in diesem Alter entwickelt sich eine besondere Form des Spielens,
denn das das Spiel ist nach wie vor die „Hauptarbeit“ unserer Kinder!
Das Spiel  in dieser Zeit zeigt sich oft besonders intensiv, nämlich von der erwachenden Vorstellungskraft geprägt und prall gefüllt!
Die Kinder, wenn sie schulreif werden, kommen morgens oft schon mit einer festen Vorstellung im Kindi an und legen sofort los….
 
Und: Sie bekommen Freude an den Herausforderungen!
Diese besondere Entwicklungsphase soll eben auch Raum bekommen – würde man nun schon sofort diesen Vorstellungsimpuls umbiegen und in ein geführtes Tätig-Sein leiten, so würde man dem Kind wertvolle Erfahrungen und Entwicklungstendenzen nehmen.
Hierzu gehören auch solche Dinge wie „Du darfst heute mal nicht mitspielen“ „Ich bestimme jetzt!“ „…wir bauen jetzt so und so!“ usw.
 
Auch Kraftübungen, Kämpfe, der Umgang mit Sympathie und Antipathie wird erfahren und geübt, sich langweilen, himmelhochjauchzend und zu-tode-betrübt sein taucht auf, sich genieren und das erwachende Gefühl des sich „peinlich fühlen“  – all das gehört nun dazu!
Die Zähne beginnen nun auch oft schon zu wackeln und damit wackelt nicht zuletzt auch die ganze Seele ein wenig…
 
Natürlich bekommen die Kinder in diesem besonderen Jahr auch vielfältige Aufgaben, müssen hier und da helfen – sie sollen sich gebraucht und wichtig fühlen. Sozialkompetenz wird dabei  ja unter anderem geübt…
Ob beim Tisch decken, beim Helfen mit den Kleinen, bei Hausarbeiten, im Garten usw.
 
Zu unseren Arbeiten:
Als eine erste gemeinsame Arbeit gestalten wir z.B. ein Bilderbuch. Dabei kommt es uns darauf an, dass die Kinder in ein nachahmendes, vorgegebenes Malen kommen und das jeweilige Thema aufgreifen lernen.
Die Kinder lernen, etwas von außen Kommendes bewusst zu übernehmen und nachzumachen. Sie malen nicht frei irgendwas sondern bekommen ein ganz bestimmtes Bild, das sie abnehmen müssen (wir malen gemeinsam – der Erwachsene malt vor, sie malen nach).
 
Dem Bilderbuch folgt dann eine handwerkliche Arbeit, meist aus Holz. Bei ihr kommt es auf die Motorik und die Koordination an. Vorstellungskraft ist gefragt, Kraft und Ausdauer, das Werkstück zu Ende zu bringen.
 
Dann folgt die Herstellung eines Puppenspiels – Figuren nähen, Tiere entstehen lassen… Hier ist Feinmotorik gefragt, Phantasie und Gestaltungskraft muss entwickelt werden.
 
Es werden immer aber alle Prozesse von Anfang bis zum Ende durchgeführt – von der Planung über die Vorbereitung bis hin zur Fertigstellung. Man muss durchhalten, auch wenn das manchmal schwer fällt und mühsam ist.
 
Weiter machen die Kinder eine Webarbeit. Hier kommt es auf das Führen des Wegschiffes an – nicht zu fest, nicht zu locker… Ein Gefühl für die Materialien, für Form und Farbe entsteht.
Das Weben stellt aber auch eine gute Vorübung für das Schreibenlernen dar – das Kind übt seine Fingerfertigkeit, seine Feinmotorik und seinen Blick für Form und Handführung.
 
Sinn und Ziel der Schulkinderarbeit bei uns soll u.a. sein, dass die Kinder an einer Sache bleiben, miteinander gleiche Tätigkeiten machen und dadurch auch aufeinander achten lernen. Das soziale Miteinander wird gestärkt und gepflegt.
Dabei üben sie sich im Warten, im gegenseitigen Helfen und Unterstützen wenn was nicht gleich klappt, im Achtsam Sein und auch Sorgfalt und Sinn für das „Produkt“ selber.
Bei dieser Arbeit zählt „Ich hab aber keine Lust …“ nicht. Der erste Keim fürs Pflichtbewusstsein wird gelegt.
 
Dabei werden auch die vorhandenen Fähigkeiten, die sich in diesem Alter ja stark entwickeln und aufbrechen, verfeinert, ausgebildet und zielgerichtet eingesetzt.
Bei uns besteht die Vorschulerziehung nicht daraus, die Kinder vorwiegend in ihrem Intellekt anzusprechen, sie auf bestimmte Fähigkeiten hin zu „trimmen“, sie Bildchen ausschneiden oder ausmalen lassen… so wie man das vielleicht kennt, sondern es geht uns hauptsächlich darum, alle Sinnesebenen anzusprechen und sie so einzusetzen, zu entwickeln, dass die Kinder wiederum in ihrer Ganzheitlichkeit angesprochen werden.
Denn noch immer sind die Nachahmungskräfte bei den Kindern ja sehr stark vorhanden – dies geht bis hinein in das frühe Schulalter und man sollte dies nicht außer Acht lassen!
So kann es hier nicht um das „hin dressieren“ auf Schule gehen sondern um Raum geben für Entwicklung und Fähigkeiten er-üben.
 
Ein Kind, das in Ruhe reifen durfte – und wenn dazu eine Rückstellung nötig ist, warum nicht! – wird in der Schule gut klarkommen und so mitarbeiten können, dass der Lehrer seiner Arbeit – dem Lehren – nachkommen kann und nicht noch Erziehungsarbeit leisten muss.
Die Seele muss sich auch entwickeln dürfen und will standhalten mit der intellektuellen Entwicklung.
 
Auf diese Weise kann die empfindsame Vorschulseele mitkommen und überfordert sich nicht oder wird einseitig beansprucht.
 
Erst wenn das Kind gelernt hat, in eine zielgerichtete Tätigkeit zu kommen, Grenzen und Regeln des sozialen Miteinanders zu achten und es dadurch seinen Willen in die Gliedmaßen hinein führen kann, kann es auch seine intellektuellen Kräfte gesund entwickeln und einsetzen!
 
Diese intellektuellen Kräfte stehen dem Kind erst dann wirklich zur Verfügung, wenn es seine Leiblichkeit soweit entwickelt hat, dass u.a. die Zähne durchgebrochen sind, dass der Leib geformt und gestreckt erscheint (Streckung, Taille bildet sich, das Gesicht formt sich und bekommt Kontur….) und dass die Glieder vollständig ergriffen sind (es kann nun Seil springen, balancieren, ohne Problem rückwärtsgehen, Stelzen laufen, auf einem Bein hüpfen, Bälle fangen und vieles andere mehr…).
Dann nämlich sind diese „Körperformkräfte“ so frei geworden, dass sie nun zu „Denk-formkräften“ werden können und der Intellekt frei gebraucht werden kann.
Gebrauchen wir diese Intellektuellen Kräfte zu früh – was heute leider landauf landab so üblich ist – kann das Kind seinen Körper nicht auf ausreichende und gesunde Weise ergreifen was zur Folge hat, dass es zu späterer Zeit (meist um das 3., 4. Schuljahr herum) Probleme entstehen – vor allem im seelisch-emotionalen Bereich.
Ist das Kind aber ganz in seinem Leib angekommen und fühlt sich darin zuhause, so sind die ersten Schuljahre geprägt von einem großen Lerneifer, Freude und Leichtigkeit.
Das Kind muss fähig sein, Widerstand auszuhalten, sich einzuordnen, zu lernen dass es nicht immer nach seinem Willen gehen kann…
 
Wir alle miteinander haben da eine enorme Aufgabe zu leisten!
Was früher ganz von alleine, quasi „auf der Straße“ gelernt wurde im Miteinanderspielen, das gibt es so heute leider nicht mehr. Auch das freie, unkontrollierte Spielen im Wald, das Tollen auf der Wiese, das sich in einer Kindergruppe alleine zurechtzufinden— all das fehlt den Kindern heute in der Regel – der Erlebnisraum wird immer enger.
„Freies Bewegungsspiel“ findet leider oft nur noch unter Beaufsichtigung oder in speziell dafür hergerichteten Freizeitparks statt, ist geführt und organisiert. Hier müssen wir alle wacher und aktiver werden – und den Kindern wieder Räume eröffnen, die ihnen diese Freiheit in einem gewissen Maß schenken können.
Sicher ist es in unserer heutigen Zeit nicht ganz einfach dies zu realisieren – aber wenn es ab und an gelingt: wunderbar…
So gehören Ausflüge in Wald und Feld bei uns in dieser Zeit auch dazu genauso wie Besuche bei Handwerkern, Feuerwehr, Polizei…